Zum Umgang mit Verletzungen im Leistungssport

 

- wie können wir unsere Kinder in dieser Zeit unterstützen?

 

Wenn im Nachwuchsbereich ein Sportler (oder eine Sportlerin) das Training ganz bzw. zum Teil unterbrechen muss, sieht er sich meist unmittelbar mit zwei Tatsachen konfrontiert:

 

 

Ganzheitlich betrachtet sind Verletzungen bio-psycho-soziale Prozesse. Auf diese soziale Komponente wollen wir hier näher eingehen.

 

Im besten Fall, wenn das Umfeld die nötige Unterstützung bringt, kann der  junge Athlet (die junge Athletin)  sich auf den Heilungsprozess konzentrieren, und erfahren, dass das Auseinandersetzen mit Verletzungen auch positive Lernerfahrungen mit sich bringen kann.  Andernfalls, bei unreflektiertem bzw. unkoordiniertem Verhalten der Umgebung, wird der Sportler mehr unter diesen Reaktionen als unter der eigentlichen Verletzung leiden.

 

Was aber ist dieses Umfeld und wie wirkt es sich in einer solchen Situation aus?

 

Diese Umgebung ist kein einheitliches Ganzes, sondern besteht aus drei Haupt-Einflusssphären oder sozialen Systemen: 

 

 

Entsprechend vielseitig können die Reaktionen sein.

Wie in Abb. 1 dargestellt, können innerhalb dieser drei Systeme verschiedene Standpunkte vertreten sein, bedingt durch die eigene persönliche Motivation (Berufsethik, Erfolgsdruck, Angst…). So äußern z.B. Ärzte und Physiotherapeuten unterschiedliche Meinungen über Therapiemethode- und Dauer, Trainer und Vorstand setzen konträre Prioritäten, Vater und Mutter gehen mit dem Thema wieder anders um.

Alle diese Reaktionen sind in ihrem eigenen Kontext verständlich. Leider entstehen dadurch Spannungen, die unmittelbar auf den Hauptbetroffenen übertragen werden, auch und gerade wenn die Meinungsverschiedenheiten nicht ausgesprochen werden. Oft sind sich diese Beteiligten der unterschiedlichen Standpunkte nicht mal bewusst, da zu wenig kommuniziert wird.

Der Druck, der für den jungen Sportler entsteht, ist sehr groß, da er letztendlich mit einer Vielzahl von zum Teil widersprüchlichen Meinungen und Aufforderungen konfrontiert  wird (Abb. 1). Weil die Beteiligten dem Nachwuchs emotional nahe stehen, sieht er sich in einem Loyalitätskonflikt gefangen, will niemanden enttäuschen, und weiß letztendlich nicht mehr,  wie er sich verhalten soll.

Die Energie, die für den eigentlichen Genesungsprozess dringend gebraucht wird, fließt in den Versuch ein, ein emotionales Gleichgewicht wieder herzustellen, was ohne Unterstützung von außen schwierig ist. Auf die emotionale und gedankliche Überforderung reagieren nicht selten die Betroffenen mit Rückzug, aggressivem Verhalten, Resignation…, Verhaltensweisen, die fälschlicherweise oft allein der Verletzung zugeschrieben werden.

Was braucht also der/die junge Sportler(in) in dieser Situation?

 

                        Klarheit, Eindeutigkeit und Sicherheit

 

Dies wird durch konzertierte Aktionen der sozialen Systeme erreicht, d.h. durch Kommunikation.

Der erste Schritt erfordert ein Verständigen und eine einheitliche Stellungnahme innerhalb der einzelnen Einflusssphären (Abb.2A)

In einem zweiten Schritt sollen die drei daraus resultierenden Standpunkte von medizinischem Team, Trainingsteam und Familie miteinander verglichen bzw. abgestimmt werden. Bei bestehender Meinungsverschiedenheit sollte unbedingt auf einen Konsens hingearbeitet werden (Abb.2 B).  Dann können im Einklang Entscheidungen getroffen und vertreten werden.

Idealerweise hört dann der Nachwuchssportler nur eine „Stimme“, die ihn über folgendes aufklärt (Abb.3):

 

So weiß der Hauptakteur, worauf er sich einstellen kann, und erlebt sich nicht mehr als Spielball der Erwachsenen. Vielmehr hat er das beruhigende Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen, um ihm bei der Genesung zu unterstützen.

Neben der medizinischen Behandlung und der emotionalen Verarbeitung spielt also das soziale Umfeld eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, wie schnell, wie gut und vor allem wie dauerhaft ein Athlet heilt.

Wenn es uns allen gelingt, miteinander zu reden, Meinungsverschiedenheiten und Erwartungen offen anzusprechen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, dann haben wir dadurch nicht nur unseren verletzten Kindern in erheblichem Maße weitergeholfen, sondern leben ihnen vor, dass wir Konflikte konstruktiv bewältigen und unser Zusammenwirken positiv gestalten können. Somit bestärkt der Sport seine Bedeutung in unserer Gesellschaft als Lernstätte für soziale Kompetenz.

 

Claudine Villemot-Kienzle

www.integrativberatung.de